ex-GKN Werk bei Florenz – Betriebsbesetzung seit drei Jahren

Seit Juli 2021 hielten die Arbeiter des früheren GKN-Standorts bei Florenz ihren Betrieb besetzt, und sie tun es noch. GKN ist ein multinationaler britischer Autozulieferbetrieb, der das ehem. FIAT Werk bei Florenz aufgekauft hatte, bevor er von der Beteiligungsgesellschaft Melrose übernommen wurde. Die Konzernführung informierte die Arbeiter im Juli 2021 ohne Vorwarnung per email von ihrer fristlosen Entlassung. Den Tag bevor die Kündigung ausgesprochen wurde, hatte die gesamte Belegschaft frei bekommen, sodass sich zum Zeitpunkt der Kündigung (fast) niemand auf dem Werksgelände befand. Nach Erhalt der Kündigung zögerten die Arbeiter jedoch nicht, und trafen sich vor den Fabriktoren. Die privaten Securities, die mit der Bewachung des Werks beauftragt waren, wurden nach hause geschickt, und die Belegschaft verschaffte sich Zugang zum Fabrikgelände. Daraufhin wurde eine permanente Betriebsversammlung begonnen, die noch heute anhält. Diese Art der Werksbesetzung ist in Italien legal. Die Arbeiter hatten bereits nach der Übernahme von GKN durch die Beteiligungsgesellschaft Melrose 2018 zusätzlich zur Gewerkschaft FIOM ein Fabrikkollektiv gegründet, um auf Probleme, die aus der Übernahme entstanden, gemeinsam mit Gewerkschaft und Betriebsrat, aber mit stärkerer Beteiligung der Mitglieder reagieren zu können. Man war auch auf eine mögliche Schließung des Standorts gefasst. Für die Organisierung der Arbeiter mit starker Beteiligung der Basis und letztlich für die Gründung des Fabrikkollektivs orientierte man sich auch an den vergangenen Kämpfen italienischer FIAT Arbeiter. Die Idee der Betriebsbesetzung wurde also von gefestigten, basisdemokratischen Strukturen innerhalb des Betriebs getragen, und am Tag der Kündigung konnte die Belegschaft umgehend mobilisiert werden. Das Kollektiv wählte ein Motto für die Besetzung, mit dem sie an die Tradition italienischer Partisanenkämpfe anknüpfen: „Insorgiamo!“ ist eine historische Parole antifaschistischer Kämpfer im 2.Weltkrieg. Damit verweisen sie auf eine gesamtgesellschaftliche Bedeutung ihres Kampfes: drohende Betriebsschließungen in der Automobilindustrie und die notwendige Umstellung der Produktion in diesem Bereich im Zuge der Klimapolitik haben Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft über den Arbeitskampf des Fabrikkollektivs hinaus. Die Arbeiter sind außerdem in der Region gut vernetzt, und ihr Kampf in Form von Streiks und Demonstrationen wurde unterstützt von sozialen Zentren, Gewerkschaften, der radikalen Linken, aber auch Kirchengemeinden und Jugend-Fußballteams in Florenz und der Region. Es gab national eine breite Solidarisierung mit den GKN Arbeitern, durch Aufrufe, Unterstützervideos zu senden, Petitionen und landesweit organisierte Demonstrationen. Das Fabrikkollektiv trieb die Vernetzung weiter voran, indem sie mit der Klimabewegung zusammenarbeiteten. Mit Wissenschaftlerinnen der Universität Pisa wurde ein konkreter Plan zur Umstellung der Produktion auf nachhaltige Güter ausgearbeitet. An einer Zukunftswerkstatt zu den Themen Nachhaltigkeit und Umstellung der Produktion (Konversion) nahmen Anwohner, Vereine und Wissenschaftler der Universität Pisa teil. Daraus entstand die Idee, die Produktion auf Lastenfahrräder umzustellen. Im Juni 2024 gehen Aktivisten aus der ex-GKN und deutsche Unterstützerinnen auf eine Tour in Westdeutschland zwischen Wolfsburg und Stuttgart, um ihren Kampf auch in die internationale Öffentlichkeit zu tragen, den Prototyp ihres Lastenrads vorzustellen, und Vorbestellungen abzuschließen. Es läuft außerdem eine Kampagne für die Zeichnung von Genossenschaftsanteilen, um die Produktion umzustellen und als Genossenschaft weiterzuführen.

Die Termine der Tour findet man hier: https://konversionstour.de/

Investieren, spenden und vorbestellen kann man hier: https://insorgiamo.org/germany/

 

Seit 2023 kämpft die Belegschaft von GKN in Zwickau gegen die Betriebsschließung, blieb bisher jedoch erfolglos. Bis 2026 soll das Werk in Zwickau abgewickelt werden.